Dienstag, 24. Juli 2012

Deutschland aus amerikanischer Sicht

Hallo,

zu Ehren der zwei Kommentatoren des gestrigen Tages werde ich gleich heute ein Wunschthema behandeln.

Zuallererst ist zu sagen, dass es Amerikaner, oder zumindest den Wild-Westlern, völlig fremd ist, schlecht über andere zu reden. Während Deutsche, mich eingeschlossen, ihren Mitmenschen ja gerne davon berichten, was Dritte so alles schlecht/komisch/nicht regelkonform machen, habe ich in meiner Zeit hier noch nicht einmal erlebt, dass jemand dies getan hätte.
Selbst bei sehr negativen Ereignissen wird nie der Mensch dahinter kritisiert.
Greg und sein Bruder Gary waren zum Beispiel auf einer Dienstreise, auf der Gary, ein ganz netter Mann ohne großes Kommunikationstalent, potentiellen Käufern ihrer Produkte davon berichtete, was jene noch nicht können. Greg kam ohne neu geschlossene Verträge wieder nach Hause, erzählte uns davon, und schloss mit der Feststellung, dass dies eben der Charakter seines Bruders sei und er eine andere Marketingperson bräuchte.

Zu dem deutschen Stereotyp des übergewichtigen, ungebildeten und egozentrischen Amerikaners gibt es also kein amerikanisches Pendant - weil niemand negativ über andere denkt.
Als wir mit Greg einmal über typisch Deutsches aus amerikanischer Sicht sprachen, sagte er, es seien boobs and beer (Busen und Bier), und beim Wort "Deutschland" kommt den meisten Amerikanern die Vorstellung, dass bei uns alle Frauen große Brüste haben und ihren Männern Bier servieren.
Da gibt es wirklich schlimmere Stereotypen!

Auf un-amerikanische Eigenschaften wird mit freundlicher Verwunderung reagiert, so zum Beispiel auf unsere Anmerkung, dass das Garagenfenster im Haus kaputt sei. Es lebe ja niemand in der Garage, da kann es so wichtig nicht sein.

Grundsätzlich ist Europa einfach sehr weit weg und im Weltbild unserer Freunde nicht wichtig.
Im Hotel, in dem nach einiger Zeit alle unsere Namen und Herkunft kannten, kam ich eines Morgens an die Rezeption und wurde von einem stolzen Angestellten mit
"Доброе утро, как поживаете?" begrüßt.
 Ich sagte, dass ich leider kein Russisch spreche, und ein herbeigekommener, sehr beschämter Hotelmanager erklärte dem erstaunten Angestellten, dass Deutschland und Russland zwei unterschiedliche Länder mit unterschiedlichen Sprachen seien...


Im Gegensatz zu den Australiern, für die Europa das Kulturzentrum der westlichen Welt ist und gar nicht genug gelobt werden kann, ist für Amerikaner einfach nur Amerika präsent. Mit viel Patriotismus zeigen sie uns im Bücherladen Kinderbücher, die schon seit den 70er Jahren verkauft werden oder weisen daraufhin, dass die Bäume in ihrem Garten bereits 55 Jahre alt sind. 
Es ist geradezu rührend, wie stolz sie auf ihre 120 Jahre alte Kirche sind oder auf die Häuser in unserer Nachbarschaft, die Mitte des 20. Jahrhunderts gebaut wurden.




Alles in allem ein positiveres Bild als umgekehrt. Unsere Freunde waren bestürzt, als sie uns nach der deutschen Auffassung Amerikas fragten und wir erzählten, dass vieles kritisch beäugt wird. 
Alle, die wir bisher kennengelernt haben, sind ganz liebe Menschen, die ohne Hintergedanken freundlich sind und einfach nicht viel von der Welt außerhalb der USA wissen, was sie aber - hier zumindest - auch nicht müssen. 


In diesem Sinne


Liebe Grüße!


PS: Christian sagt mir gerade, dass es sich anhört, als würde ich den meisten Deutschen ein schlechtes Bild von Amerikanern unterstellen. Ja, das ist zumindest meine Wahrnehmung. Damit beziehe ich mich auf niemanden im Speziellen, sondern auf die allgemeine Stimmung, wie ich sie in Deutschland insgesamt (in den Medien, im Freundeskreis - da gab es so gar ein paar ganz deutliche Stimmen) erfahren habe.
Sollte es nicht so sein, umso besser!

7 Kommentare:

  1. Testkommentar für Coco

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  2. Danke für die prompte Abarbeitung meines einen Wunschthemas!
    Coco

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  3. Das liest sich echt gut. Und hört sich so gemütlich an. Ihr scheint euch echt wohl zu fühlen :) Das ist so schön.

    Ich kann dein Negativ Bild aber nicht bestätigen.
    Und ich habe auch schon gehört, dass es für Amerikaner gerade mal noch "Europa" in der Vorstellung gibt. Länder dazu?! Egal. ;)


    Ich schreibe mal weiter mit Prfil :P

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  4. Uffff, jetzt habe ich doch den Kommentarteil gefunden.

    Als Nichttwitter, Nichtfacebooker, Nichtbloger und Nichtvielesmehr war vermutlich mein Problem, dass zumindestens bei mir das Wort "Kommentare" nicht als Link gekennzeicnet war. Deswegen habe ich erst mal nicht draufgeklickt.

    Jedenfalls an dieser Stelle erst mal mein großer Dank an Steffi für ihre Berichte aus Amerika. Für mich (und für viele andere Leute hier) geben diese Berichte einen tollen Einblick in drei Leben auf der fast anderen Seite der Welt.

    Natürlich sind die Bilder auch spannend. Neben den ganz anderen Blickwinkeln eines Fotoapparates überzeugt auch die Qualität der Bilder. Wo die Skype-Kamera manchmal nur Klötzchen bereithält, kann man auf den Fotos neben Amerika auch die Gesichter von Euch dreien erkennen :)

    Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht!
    Heiko

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  5. Hallo Heiko,

    danke für deinen lieben Kommentar! Wir freuen uns drüber, dass der Blog gefällt - es ist vermutlich für alle Seiten eine gute Lösung, statt jedem in Kürze das Gleiche zu erzählen die Zeit lieber darin zu investieren, ab und an einen ausführlicheren Bericht zu produzieren.

    Und die Qualität der Skypekamera ist leicht zu schlagen, da stimme ich dir zu ;-)

    Lg
    Steffi

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