Montag, 28. September 2015

Freiwilligen.

Ein weiteres wichtiges Wort des amerikanischen Schullebens ist volunteer. Es ist gleichzeitig ein Substantiv (der/die Freiwillige) und ein Verb (etwa: Freiwilligenarbeit leisten - ich werde hier das von mir erfundene deutsche Verb freiwilligen benutzen).

Es werden staendig Freiwillige benoetigt. Nicht nur fuer besondere Veranstaltungen wie den Jog-a-thon, sondern auch am Morgen als Schuelerlotsen, an Wochenenden als Hilfsgaertner, die Unkraut jaehten, auf Schultrips als Zusatzaufsichtsperson und taeglich im Klassenraum als eine Art Back-up-Lehrer.

Mit so vielen Freiwilligenstunden kann man wunderschoene Buntstiftdisplays errichten.
Auch Pauls Klassenlehrerin fragte nach den ersten drei Schulwochen, welche Elternteile denn gerne im Klassenraum helfen wuerden. Es sei eigentlich dringend notwendig, dass immer eine Backup-Mama anwesend sei (zusaetzlich zu den zwei Lehrern, die es pro Klassenraum gibt).
Waehrend sich andere Muetter nur fuer eine Stunde alle zwei Wochen in den Plan eintrugen, meldete ich mich voller Tatendrang gleich fuer 2 Mal 2 Stunden an. Wenn schon, denn schon, ne!

Hier sitzt Paul.

Diese Woche ist nun meine dritten Woche, in der ich freiwillige. Die urspruengliche Behauptung, es wuerde immer ein Drittlehrer gebraucht, stellte sich als eine etwas weit hergeholte Forderung heraus. Die erste Stunde verbringe ich stets damit, in der Ecke des Raumes zu sitzen und beim Morgenkreis zuzuhoeren. Weitere 20 Minuten gehen fuer das zweite Fruehstueck drauf, in dieser Zeit freiwillige ich auch gelangweilt vor mich hin.
Im uebrigen Drittel der Zeit spitze ich Bleistifte und ermuntere Kinder paedagogisch dazu, auch das 46. kleine f voller Inbrunst und Lernfreude zu schreiben.

Wenn ihr nun denkt, dass hiermit mein Dienst als Freiwillige erfuellt waere, dann irrt ihr. Das Motto ist "Je mehr du freiwilligst, desto mehr kannst du freiwilligen!".
Zu meiner Zeit war die Tafel noch dunkelgruen.
Und so wurde ich gefragt, ob ich in der Grundschule gerne als ein unbezahlter Teilzeitphysiklehrer arbeiten moechte.
Ein normaler Mensch haette nein gesagt.
Ein Mensch, der schon voellig im Freiwilligen-Fieber ist, sagt ja. Und ueberlegt die naechsten Wochen, wie um Himmels Willen er das ja in ein nein verwandeln kann.
Ratet mal, in welche Kategorie ich falle.

Paul war Schueler der Woche und hat einen Restaurantgutschein fuer "herausragende Leistungen" bekommen.

Der momentane unbezahlte Physiklehrer lud mich ein, fuer das naechste Jahr in seinen Physikstunden dabei zu sein, bevor ich die Klassen selbst uebernehme. Das wuerde meine Freiwilligenarbeit auf 10 Klassenraumstunden pro Woche erhoehen, plus Geldbeschaffungen, Wochenendarbeiten, Stundenvorbereitung und vernachlaessigbare Schulpflichten wir taegliche Hausaufgaben.

Es ist nicht leicht, zu freiwilligen.

Liebe Gruesse!

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