Mittwoch, 25. Dezember 2013

Frohe Weihnachten!

Ganz unkonventionelle Weihnachten hatten wir dieses Jahr.

Da Christian eingespannt war in seinem Chor, waren Paul und ich ab 18 Uhr alleine. Seine Weihnachtschorauffuehrung in der Kirche hatte gerade geendet, und nun wusste ich nicht so recht, wo und wie und was wir nun als halbe Familie an Heilig Abend machen sollten. Wir entschieden uns dafuer, essen zu gehen.

Bei der Fahrt durchs naechtliche Albuquerque stellte sich heraus, dass eine sehr interessante Auswahl an Gaststaetten am Weihnachtsabend offen hat. Eigentlich nur das unterste und oberste Ende der Restaurantskala. Ersteres fand ich nicht ganz angemessen (Heilig Abend bei McDonalds?), zweiteres haette einen froehlichen 4jaehrigen vermutlich nicht zu schaetzen gewusst.

Da kam mir die Idee, zu unserem Thailaender zu fahren.
Zugegebener Massen habe ich keine Ahnung, welcher Religion die Besitzer angehoeren. Die herumstehenden Buddahs lassen aber erhoffen, dass es sich nicht um eine christliche handelt und sie an Weihnachten geoeffnet haben koennten. So war es auch, ein buntes "OPEN"-Schild blinkte etwas hoffnungslos in die leeren Strassen hinaus und Paul verkuendete beim Parken bereits, dass er "Cola und Pommes und Eis" wollte. Na klar, war doch Weihnachten!

Nun ist das kein ganz gewoehnlicher Thailaender. Es ist ein veganes Thairestaurant. Waehrend fuer mich die Entscheidung, vegetarisch zu leben, neutral bis froehlich ist (ist ja eine froehliche Sache, dass niemand gegessen wird), ist sie fuer ThaiVegan ein bitterernstes Geschaeft. Obwohl wir fast woechentlich dort essen, habe ich noch nie jemanden lachen gesehen. Eigentlich koennten sie das ja ins Geschaeftsmodell inkooperieren, zB "ThaiVegan - Spass ist anders" oder "Vegan essen - gelacht wird draussen".

Drinnen gab es neben veganen Thailaenderinnen mit Todesmiene eine interessante Zusammensetzung an Besuchern. Drei indisch aussehende Yogis, von denen einer stetig vor- und zurueckwippte und wiederholt laut verkuendete, er wolle nichts essen. Ein junges asiatisches Paar, das Weihnachten damit verbrachte, in seinen jeweiligen Smartphones herumzutippen und eine grosse Sippschaft am Ende des Raumes. Sechs Erwachsene, die die wohl groessten Anstrengungen der Geschichte unternahmen, ihre zwei Kleinkinder zu moeglichst lautem Verhalten zu animieren. Sie quietschten mit Quietscheentchen in der Luft herum, kitzelten die Kinder und untermalten jedes Glucksen dieser mit "Yes, I like that!" ("Ja, das gefaellt mir!").
Und Paul und ich.

Soviel nicht-vegan-konformes Verhalten an einem nicht-thailaendischen Feiertag war der Stimmung der Kellnerinnen nicht zutraeglich. "Was??", fragte mich unsere, sobald sie mir die Karte auf den Tisch geschoben hatte. Ohne Nachzudenken und in der Hoffnung auf ihre Wohlgesonnenheit bestellte ich Pommes fuer Paul und irgendetwas fuer mich.

Eines der Kleinkinder (Raoul, oder Saoul, oder ganz anders, keine Ahnung) fragte, ob es mit Paul fangen spielen konnte. Seine vergnuegungssuchende Sippschaft war begeistert, und bald jagdten die beiden durch den Raum. Das asiatische Paar vom Nebentisch versicherte, dass Paul der schoenste Junge war, den sie je gesehen hatten, und der indische Essens-Verweigerer bestellte bei der voellig baffen Kellnerin einmal Nudeln zum Mitnehmen, seinen nicht-angeruehrten Teller wollte er aber nicht einpacken lassen.

Nach den Pommes bekam Paul sein versprochenes Eis. Die Karte bot dabei nicht viel Auswahl, und so mussten wir uns mit der einzigen Option "Greuner-Tee-Kokosnuss-Eis" begnuegen. Ich nahm an, dass "Gruener-Tee-" nur im Namen stand, um dem ganzen ein erhabenes Veganerflair zu geben. Wie irrte ich mich, schliesslich war das Speisen eine ernste Angelegenheit, und der Name war Programm.

Schon als der Becher gebracht wurde, schwahnte mir Schlimmes. Das Eis hatte die absolut eis-unuebliche Farbe gruen-grau. Mit einem sehr starken Hang ins Grau.

Ja, obendrauf waren Bohnen und irgendein suesser durchsichtiger Glibber. Hat aber den Gesamteindruck nicht wirklich verbessert.

Es schmeckte wie gruener Tee. Vermutlich enthielt es genug gruenen Tee fuer bleibende Leberschaeden
(das ist ein Witz, fuer den man diesen Artikel lesen muss:
http://www.nytimes.com/2013/12/22/us/spike-in-harm-to-liver-is-tied-to-dietary-aids.html?_r=0).

Ob tatsaechlich Kokosnuss enthalten war, liess sich unmoeglich feststellen. Vielleicht bestand das Eis auch nur aus gefrorenen Teebeuteln. Sogar authentische Teekruemel waren enthalten.
Ohje. Paul hatte sich nach dem ersten und einzigen Loeffel und einem Gesicht puren Entsetzens wieder verabschiedet, um Fangen mit Raoul-Saoul zu spielen. Und ich konnte niemals genuegend Eis essen, um den Eindruck zu erwecken, dass der Becher nur "nicht geschafft" war anstelle von "schlichtweg verschmaeht".

Nachdem ich eine viertel Stunde peinlich beruehrt vor unserem Eis gesessen hatte, fragte ich nach der Rechnung. Eine neue Kellnerin kam, und sie lachte! Sie lachte mich an! Freundlich sagte sie, dass ich sicher ein paar Boxen zum Reste-mitnehmen brauchen wuerde, vor allem fuer das Eis, nicht wahr? Es wuerde doch gut schmecken?
Wie konnte ich es ueber mich bringen, ihrem strahlenden Veganergesicht zu sagen, dass ich lieber bis an mein Lebensende Speckeiscreme essen wuerde als noch einen Loeffel Gruener-Tee-Grauens? An Weihnachten?
Ich nickte und versicherte, dass es ein ganz exzellentes Eis sei und ich es auf alle Faelle mitnehmen wolle.

In der Pappschachtel kam die einzigartige Faerbung noch besser zur Geltung. Wir verabschiedeten uns von Raoul-Saoul und der lauten Verwandtschaft, dem asiatischen Paerchen, dass ganz von Pauls Aussehen gefangen schien, den Yogis und der immer noch strahlenden Kellnerin.

Liebe Gruesse und schoene, besinnliche, lustige, oder ganz unkonventionelle Weihnachten!


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